Architektur ist nunmal immer auch ein Ausdrucksmittel ihrer Zeit.
In den 20er Jahren haben sie sich beispielsweise auf die Industrialisierung
bezogen, haben im ?Dampferstil“ und ?Wohnmaschinen“
gebaut. Sie haben den Konstruktivismus als Spiegel industrieller
Konstruktionsweisen ?sthetisiert. Dieses Prinzip hat sich sechzig
Jahre sp?ter in einer ganz anderen Erscheinungsform wiederholt.
Unter dem Einfluss von Archigramm wurde in England die Konstruktion
als ?hightech“ visualisiert. Nur die Architekten haben in
aller Regel die Konstruktion und die Technik gar nicht gemeint,
sondern nur das Bild davon, das Bild der Technik, wie zuvor schon
die russischen Konstruktivisten. Es ging ihnen nicht um die Konstruktion
der Ingenieure und nicht um Statik oder Physik. Und das
geht so weiter. Als die Biologie in der Gesellschaft an Bedeutung
gewann und die Computer in der Lage waren, diese Formen zu
erfassen, entstanden anthropomorphe, organoide Formen. Also ob
diese Architektur ihren inneren Gesetzen nach je organisch gewesen
w?re. Auch hier geht es ?nur“ um das Bild – besser und positiver
ausgedrückt, um die Deutung des Bildes. Ein Haus ist ein Haus
und kein Dampfer, keine Maschine und auch keine Am?be.
BP: Wollen Sie das konkretisieren? Ein Beispiel vielleicht?
VM: Für solche modischen Trends gibt es immer reichlich Beispiele,
besonders gern im Museumsbau. Nicht 足球比分,即时比分直播 ganz neu ist das
Kunsthaus Graz (2003, Arch.: Peter Cook und Colin Fournier;
Anm. d. Red.). Einmal abgesehen davon, was sich die Entwerfer
an architekturgeschichtlichem ?berbau alles zusammengereimt
haben, wei? man tats?chlich nicht genau, was man da sieht. Sieht
man in der Form eine Funktion, kann man sie nicht entr?tseln.
Sieht man in der Form eine Konstruktion, dann w?re sie vollkommen
unsinnig. Also kann man in der Form nur ein Zeichen sehen. Hat dieses Zeichen etwas mit der Kunst zu tun, die darin ausgestellt
werden soll? Wohl auch nicht. Man hat es gebaut, weil es
2003 technisch m?glich war und weil es in den Zeitgeist passte,
obwohl die Idee schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte. Letztlich sieht es doch aus wie ein aufgeblasener Magen oder ein
anderes Organ in einem ziemlich schlechten Zustand.
Aber das Ding will uns sagen: ?Seht her, ich bin modern, ich bin
zeitgeistig!“ Und das gilt für ?hnliche Bauten auch, egal, in welchem
Kontext sie entstanden sind. Das hindert sie nicht daran, in
dem Moment, in dem sie ?auftauchen“ sehr sensationell zu wirken
und eine gro?e mediale Aufmerksamkeit zu erreichen.
Das ist vielleicht billig, aber es sind genau die Zeichen des jeweils herrschenden
Zeitgeistes.
BP: Iconic Buildings werden damit zu strapazierten Instrumenten
eines Stadtmarketings.
VM: Die Menschen suchen nach Identifikation und in dem Ma?e,
wie sich die St?dte mit ihrem geschichtlich gewachsenen Profil, mit
ihrer ?sthetik, ihrer Wahrnehmung nicht 足球比分,即时比分直播 deutlich voneinander
unterscheiden, suchen sie nach Merkmalen der Unterscheidbarkeit.
Das ist in der Warenproduktion des Konsumzeitalters etwas
ganz Normales. Und wer ein so vordergründiges Marketing macht,
wie mit einem Markenzeichen, der sucht, wie das Wort schon
sagt, etwas Markantes, eine Landmark. Früher waren diese Profile
und Zeichen sinnbesetzt, hatten eine Bedeutung. Heute sind sie
oft nur noch Wiedererkennungsmerkmale. Das ist vielleicht
billig, aber es sind genau die Zeichen des jeweils herrschenden
Zeitgeistes.
BP: Der Architekt Tadao Ando hat gesagt: Architekten h?tten die
Aufgabe H?user zu bauen, die zweihundert Jahre halten. Sie sehen
bei Ihren Auslandsprojekten auch wie Schwellenl?nder wirtschaftlich wachsen und nach westlichem Wohlstand streben. Wie akademisch
ist die Nachhaltigkeitsthematik bei uns, angesichts der
expolsionsartigen Zuw?chse in diesen L?ndern?
VM: Ich wohne in einem über hundertj?hrigen Haus, seiner einmaligen
Lage wegen. Da war kein Platz für ein neues Haus. Die Forderung
so zu bauen, dass es zweihundert Jahre h?lt, ist der Forstwirtschaft
entnommen. Eichen brauchen zweihundert Jahre, bis
das Holz geschnitten werden kann.
?ber lange Zeiten haltbar ist ein Haus immer dann, wenn es ge?ndert,
umgenutzt werden kann und in seinem Kern - nicht in seinen
Einzelheiten - auf Dauer Bestand hat. Das ist in meinen Augen
Nachhaltigkeit. Unser Konsum- und Produktzeitalter, das auf die
Maximierung des Verbrauchs, den schnellstm?glichen Modewechsel
und die Verwandlung des Bürgers in einen Konsumenten ausgerichtet
ist, verl?uft dazu kontrovers. Abschreibungszeiten für
Autos sind fünf Jahre, für ein Schiff fünfzehn, für ein Haus drei?ig
Jahre. Das ist in Hinsicht auf Nachhaltigkeit kontraproduktiv.
BP: Herr Sobek, Ihr Haus ist zu hundert Prozent recyclebar. Sie
besch?ftigen sich sehr viel mit Materialien und ihren Eigenschaften.
Wie nachhaltig ist die Nachhaltigkeit?
WS: Nachhaltigkeit fordert eine verantwortete Haltung gegenüber
unserer Umwelt und den nachkommenden